Der Victor-Ehrenberg-Preis der Kassler Freunde der Antike e. V. ist nach dem bedeutenden und international anerkannten Althistoriker Victor Ehrenberg (1891–1976) benannt, der insofern eine enge Beziehung zur Stadt Kassel besaß, als er seit 1901 in Kassel aufgewachsen ist und das Friedrichsgymnasium bis zum Abitur besuchte.
Victor Ehrenberg stammte aus einer liberalen jüdischen Familie; er wurde 1891 in Altona geboren und lebte seit 1901 in Kassel. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium Kassel studierte Victor Ehrenberg zunächst Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart, dann Klassische Philologie und Alte Geschichte an den Universitäten Göttingen und Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Victor Ehrenberg nach Tübingen. Seine Dissertation ‚Die Rechtsidee im frühen Griechentum‘ (1921) behandelte die Rechtsentwicklung in der archaischen Zeit, die in Frankfurt entstandene Habilitationsschrift ‚Neugründer des Staates‘ (1925) untersuchte das Wirken der Politiker wie Solon und Kleisthenes, die ihre Polis grundlegend reformiert und damit die Voraussetzungen für die künftige Entfaltung Athens geschaffen haben.
1929 erhielt Victor Ehrenberg den Ruf auf die Professur für Alte Geschichte an der Deutschen Universität in Prag, wo er bis 1939 tätig war; im Februar 1939 konnte Victor Ehrenberg mit seiner Familie im letzten Moment nach England emigrieren. Seit 1941 lehrte er an englischen Universitäten Ancient History, zuletzt als Professor an dem Bedford College in London.
Zu seinen bedeutenden Werken gehören die Bücher ‚Der Staat der Griechen‘, eine Monographie, die aus einem Beitrag zu dem Handbuch von Gercke-Norden hervorgegangen ist, ‚Das Volk des Aristophanes‘ (1943, deutsch 1968), eine sozialhistorische Auswertung der Komödien des Aristophanes, und schließlich ‚Sophokles und Perikles‘ (1954, deutsch 1956), eine Studie, in der Victor Ehrenberg den Versuch unternahm, die Stellung beider Persönlichkeiten zu ihrer Zeit und zu Athen präzise zu erfassen.
Die Schriften von Victor Ehrenberg sind von einer liberalen und humanistischen Einstellung geprägt, die ihn in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stets davor bewahrte, die im akademischen Milieu verbreiteten Positionen rechter Kreise zu übernehmen. Er sprach sich gegen „Webers [Wilhelm Weber, Althistoriker] Kult der großen Persönlichkeiten“ aus und kritisierte scharf die rassistischen Tendenzen in den Arbeiten von Helmut Berve; eine Verherrlichung Spartas, wie sie damals Mode wurde, lag Victor Ehrenberg völlig fern. Ohne Zweifel zählt Victor Ehrenberg zu den bedeutenden europäischen Althistorikern seiner Zeit, und sein Leben ist untrennbar mit den politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts verbunden.
Literatur: Karl Christ, Die Verdrängten – Zur Existenz des Historikers, in: Ders. Geschichte und Existenz, Berlin 1991, S. 51–89, bes. 74–83.
Stand: 28. November 2024